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Wenn nicht alles täuscht, hat der Retter der Ottakringer Brauerei, Engelbert Wenckheim, mit dem legendären Ex-Präsidenten von Sony, Akio Morita, eines gemein.

Wenckheim, wie einst Morita, ließ sich nicht von Marktforschungen irre machen. Er unterwarf sich bei der Neuentwicklung von Produkten nicht blindlings den Befragungen. Prätests mit potentiellen Kunden sind oft interessant. Sie sind aber nicht Gottes Spruch.

Morita setzte den Walkman durch. Er wurde von Testpersonen als lächerlich angesehen. Moritas Kollegen im Sony-Präsidium hielten ihn für einen gefährlichen, automatischen Flop. Morita sagte kühl und kräftig, er fühle in seinen Testikeln, der Walkman sei ein Hammer. So war es auch. Heute ist dieses Produkt in der Ruhmeshalle der zehn erfolgreichsten Einfälle des Jahrhunderts. Sony generierte damit mehr Cash als selbst mit Fernsehapparaten.

Wenckheim, so heißt es, sei bei jenem Produkt ähnlich vorgegangen, das den schönsten österreichischen Namen hat: „Null Komma Josef“, alkoholfreies Bier, das bei Kundenbefragungen – vermutlich schwere Schlucker mit zusätzlichen Vorlieben für Korn und Cognac – entmutigend beurteilt worden war. Wenckheim vertraute auf seine unternehmerischen Instinkte.

II.

Selbstbewußtes Verhalten war zu Beginn des Kapitalismus selbstverständlich. Kein Unternehmer im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert ließ sich was dreinreden. Das änderte sich erst um 1930. Die Zwischenkriegszeit in den USA wird von Wirtschaftswissenschaftern als Anfang und Quelle des Marketing genannt.

Marketing ist im wesentlichen die Entdeckung, daß Kunden auch Menschen sind, denen man nicht jeden Dreck zu jedem Preis einreden kann. Diese Einsicht kam keineswegs automatisch. Sie kam, wie alles Gute im Kapitalismus, aus Egoismus. Die Kundenliebe wurde erst entdeckt, als sich die Verteilungswirtschaft (Güterknappheit) in eine Wettbewerbswirtschaft wandelte. Diesen Wechsel gab es einige Male in der Geschichte. Zuletzt am Ende des Nachkriegs-Wirtschaftswunders, in den sechziger Jahren. Und nie wurde das hohe „C“ (Client! Consumer!) so hoch gesungen wie in den Ölkrisen der siebziger Jahre und der scharfen Rezession der neunziger Jahre.

Die öffentlich gebetete Kundenliebe („König Kunde“, „Unsere Nr.1“) wurde in den letzten Tälern als höchste Maxime der Unternehmensführung gepriesen.

Über das hohe „C“ spottete „Fortune“, ein US-Wirtschaftsmagazin: „Es fing als Managementübung an, wurde zu einem Mantra und schließlich zu einer Manie.“ Auf „den Kunden hören“ und „der Kunde hat immer recht“ wurden zu unbezweifelten Glaubenssätzen.

Dies hat für viele Unternehmen fraglos seine Meriten gehabt. Bei reifen Produkten wie Autos funktioniert das „Hören auf den Kunden“ gelegentlich noch – allerdings eher nur, wenn es um Details geht. General Motors etwa bereute, die Vortest-Kritik an den optisch zu kleinen Hinterrädern des Chevrolet Caprice nicht ernst genommen zu haben. Man verwarf die Einwände. Folge: Die Schüssel verkaufte sich schleppend. Dennoch: Nach und nach ist eine Hinterfragung des Wertes der Kundenmeinung angesagt. Die Welt der modernen Produkte dreht sich immer schneller. Die Forschungslaboratorien der Unternehmer sind viel weiter als die Menschen draußen. Deren Wissen über die nächste Zukunft fällt immer weiter zurück.

In vielen Fällen ist es sinnlos geworden, Testpersonen zu fragen, um das Risiko innovativer Produkteinführungen abzufedern. Im Gegenteil: Je nach Qualität und Tiefe der Vortests kam oft schon

ein höllischer Holler heraus, der die Firmen gefährlich in die Irre führte.

Das „New Coke“ wurde in Vortests enthusiastisch begrüßt, blieb dann aber auf den Regalen picken. Pizza Huts Diätideen („Low-Cal Pizza“), KFCs hautlose „Fried Chicken“ und selbst dem „McLean“ des Marketing-Genies McDonald’s ging es genauso. Jetzt glaubt die National Restaurant Association (Amerikas Restaurantvereinigung), den Grund dafür gefunden zu haben. Er könnte simpler nicht sein: Die befragten Kunden reden sich selbst etwas ein. Sie haben zwar den Wunsch, gesund zu essen, Früchte und Kalorienfreies. In der Praxis aber sind sie außerstande, den inneren Schweinehund zu überwinden und greifen nach fetttriefenden Köstlichkeiten.

Wirtschaftsexperte Justin Martin: „Ein anderes Phänomen liegt darin, daß theoretische Kaufentscheidungen zum Zeitpunkt des Tests völlig anders aussehen als jene, wenn es um echtes Geld, also den geliebten eigenen Dollar geht.“

Daher sind Flops nicht nur in der Nahrungswirtschaft vorprogrammiert, sondern beispielsweise auch in Mode und Sport. In den frühen neunziger Jahren versuchten gleich drei Sporthersteller – Spalding, Rawlings, Mizuno – mit aufpumpbaren Baseballhandschuhen den Markt zu stürmen. In Vortests hatten alle drei einen wilden Markt erkannt. Gekauft hat sie keiner, nicht nur wegen des hohen Preises von rund 100 Dollar.



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